Anders-Orte – Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit

In der Zeitschrift Herder Korrespondenz, 69. Jahrgang, Heft 2, Februar 2015 fand ich einen sehr lesenswerten Artikel mit der Überschrift: „Die stillgelegten Propheten?“  - Die Krise der Orden und Aufbrüche an verborgenen „Anders-Orten“.

Der Autor des Artikels, Pater Ulrich Engel OP, Dr. theol. habil. (geb. 1961) ist seit 1984 Mitglied des Dominikanerordens. Unter anderem leitet er das dominikanische Forschungszentraum „Institut M.-Dominique Chenu“ in Berlin.

Der Artikel zeigt zunächst eine große Nüchternheit der Entwicklung des Ordenslebens in Deutschland auf, spricht von einem historischen Traditionsbruch. Teilweise schrumpfen die Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens nur noch auf einen Schatten ihrer selbst zusammen. Zugleich wird den Orden aber immer wieder auch von höchster Stelle eine Art „Reservefunktion“ für die Zukunft der Kirche zugeschrieben.

Beim Lesen des Artikels verstärkt sich der Eindruck, dass Selbstlähmung und Dialogunfähigkeit die bestimmenden Probleme der Frauen und Männer des gottgeweihten Lebens sind und es scheinbar keinen Hoffnungsschimmer am Firmament gibt. Am Schluss des Artikels kommt eine Brise von Heiligem Geist auf, indem der Autor Fragen benennt, Anders-Orte und Tätigkeiten von Ordenschristen beschreibt, die Hoffnung und Mut machen für Gegenwart und Zukunft.

„Was lernen wir von der Welt? Und: Worin besteht unser Dienst an der Gesellschaft? Um auf diese Fragen trag- und zukunftsfähige Antworten zu finden, gilt es Orte zu identifizieren, an denen klar wird, wer wir Ordensleute sind. Diese Orte können im Anschluss eine Formulierung des französischen Philosophen Michael Foucault (1926-1984) als „Anders-Orte (griechisch: heterotopoi) bezeichnet werden. Anders-Orte sind Orte, die es als soziale, gesellschaftliche, religiöse und kulturelle Tatsachen inmitten der Realitäten des Gewohnten gibt und an denen gleichwohl eine andere Ordnung der Dinge herrscht.

In hoch professionellen Projekten in der Exerzitien- und Jugendsozialarbeit, im Gesundheitswesen und in der Altenarbeiten, in Bildungseinrichtungen und an Schulen beziehungsweise Hochschulen, in der Lebensberatung wie in der Frauenarbeit, im Engagement mit Nichtsesshaften und Ausländer/-innen, in der Gemeindearbeit und in der Politik, in der Behindertenseelsorge und in der Ökumene, im Gefängnis und mit bildenden Künstlern, am Theater und bei Migrant/-innen und vielerorts mehr sind heute Ordensfrauen und - männer präsent, um inmitten der alltäglichen Ordnung der Dinge etwas Anderes aufscheinen zu lassen: Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.

Wer wissen möchte, wie Ordensexistenz in spätmodernen Gesellschaften funktioniert, sollte nicht zuerst die Statistiken und Verlautbarungen von Ordensobernvereinigungen studieren, sondern Anders-Orte aufsuchen, um dort ganz konkret Ordenschristen in ihren spirituellen, pastoralen sozialen, wissenschaftlichen und politischen Engagements zu begegnen. Dort – oftmals unscheinbar und wenig sichtbar, weil klein und in außerkirchliche Kontexte inkarniert – gibt es Spannendes zu entdecken!“
Ich lebe seit gut zwei Jahren in einer kleinen benediktinischen Gemeinschaft in Damme/Südoldenburger Münsterland. Unsere Kommunität bietet Menschen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und in Fragen des Glaubens ein Haus der Gastfreundschaft im Sinne des Hl. Benedikt - “Alle Fremden sollen wir Christus aufgenommen werden“ - an.

Immer wieder darf ich hören, lesen und selbst erfahren, wie viel Frauen und Männer des gottgeweihten Lebens an Anders Orten im gesamten Bistum Münster Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit leben. Gott sei Dank!

Br. Stephan Veith OSB 

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