Provinzoberin Schwester Herbertis blickt auf 50 Ordensjahre zurück

Auch wenn Sr. Herbertis nun als Provinzoberin viel Zeit am Schreibtisch verbringt: Hinter ihr liegen bewegte Jahre als Ordensschwester.

Jeden Morgen beim Aufstehen fällt ihr Blick auf die schmale Kerze. Für Schwester Herbertis Lubek hat sie eine ganz besondere Bedeutung, war sie doch ein Geschenk zur sogenannten ewigen Profess, also dem Ordensgelübde. Das goldene Ordensjubiläum in diesem Jahr ist Grund genug für die Provinzoberin der Mauritzer Franziskanerinnen, diesem Erinnerungsstück einen besonderen Platz zu geben. "Ich habe sie schon im vergangenen Jahr aufgestellt, um mich auf diesen Anlass vorzubereiten und werde sie auch noch im kommenden Jahr stehen lassen, um mich immer wieder daran zu erinnern", erklärt die 72-Jährige.

50 Ordensjahre liegen hinter ihr, noch immer ist sie gerne Franziskanerin. Inzwischen lebt sie im Mutterhaus in Münster und leitet als Provinzoberin die deutsche Ordensprovinz der Franziskanerinnen mit rund 450 Schwestern. "Das Ordensleben hat mich schon als Kind fasziniert", erzählt sie mit leuchtenden Augen. Dabei denkt sie beispielsweise an einen Krankenhausaufenthalt im Alter von zehn Jahren zurück: "Ich lag im Bett, mir ging es schlecht und da kam eine Franziskanerin und hat mir ein Schutzengel-Lied vorgesungen", erinnert sie sich. "Das hat mir so gut getan und mich lange, lange danach noch begleitet."

In Oberschlesien geboren, 1945 mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Brake an der Weser geflohen und dort aufgewachsen, hat Schwester Herbertis schon früh gelernt, sich und ihren Glauben durchzusetzen. "In der Diaspora groß zu werden heißt, sich zum Glauben zu bekennen", betont sie mit fester Stimme. Unterstützung erfuhr sie dabei stets von der Großmutter, ihrem "großen Vorbild", wie sie sagt. "Meine Großmutter war für mich eine Christin, die ihr Christsein authentisch gelebt hat – in dem, was sie erzählte und in dem, wie sie handelte."

Mit 19 Jahren trat sie gegen den Willen ihres Vaters in den Orden der Franziskanerinnen in Münster ein. Damit stand fest: Dem Wunsch des Vaters, das elterliche Geschäft zu übernehmen, würde sie nicht nachkommen. "Als mein Vater kurz vor meiner ewigen Profess starb, habe ich meine Mutter gefragt, ob ich zurückkommen oder im Kloster bleiben soll", berichtet Schwester Herbertis. "Ich möchte, dass Du glücklich wirst." – Dieser Satz der Mutter hielt die junge Frau damals im Mutterhaus der Franziskanerinnen.

Nach einem Krankenpflegeexamen, einer Ausbildung zur Erzieherin und einer Weiterbildung zur Sozialpädagogin wurde die Ordensschwester im Stift Tilbeck eingesetzt, wo sie die Umstellung von einer Pflege- auf eine integrative Therapieeinrichtung begleitete. Eine Aufgabe, die Kraft kostete, und die in ihr den Wunsch wachsen ließ, erkrankte Menschen über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Im Marienstift im oldenburgischen Neuenkirchen, einer Einrichtung für abhängigkeitserkrankte Männer, kam sie mit einem Krankheitsbild in Kontakt, das sie bis heute nicht loslässt. "Ob Abhängigkeit von bestimmten Medikamenten oder von Alkohol – es handelt sich um Krankheiten, die durch eine Stoffwechselstörung im Körper entstehen. Es ist wichtig, dass die Betroffenen wissen: ‚Ich bin krank und ich kann nur damit leben, wenn ich abstinent bleibe", erklärt Schwester Herbertis.

Mit wachsender Erfahrung im Umgang mit suchtkranken Menschen keimte in ihr der Wunsch, speziell medikamenten- und alkoholabhängigen Ordensschwestern zu helfen. Immer wieder war sie in den Jahren zuvor auf Mitschwestern getroffen, denen scheinbar nicht geholfen werden konnte. "Früher hat man nicht gewusst, was diese Menschen – darunter auch Ordensleute – haben, man hat sie für schlechte Menschen gehalten und irrtümlicherweise angenommen, man müsse sie nur strenger behandeln", erzählt sie.

Schwester Herbertis bat ihre Gemeinschaft, in Essen einen Konvent zu gründen, in dem abhängigkeitskranke Ordensschwestern Hilfe finden können. Zusammen mit ihren Mitschwestern lebte sie in einem Wohnhaus und nahm auf vier Wohnungen verteilt Ordensschwestern auf. Unterstützung erhielt sie vom Pfarrer der örtlichen Gemeinde, der selbst alkoholkrank viele Jahre als Seelsorger im Marienstift in Neuenkirchen tätig gewesen war. Mit ihm zusammen begleitete sie die Schwestern therapeutisch. Halbtags in der Suchtberatung des Caritasverbandes für die Stadt Essen tätig, organisierte Schwester Herbertis Informationsveranstaltungen und klärte Betroffene und deren Angehörige über die Krankheit auf. "Ich habe in dieser Zeit so oft mit den Kranken wirklich ‚Auferstehung‘ erlebt, das war eine große Motivation für mich", blickt sie zufrieden zurück.

2009 wurde der Konvent geschlossen, Schwester Herbertis kehrte zunächst als stellvertretende Provinzoberin, schließlich als Provinzoberin nach Münster zurück. Bis heute organisiert sie Besinnungstage für abhängigkeitserkrankte Ordensfrauen. Die meiste Zeit aber verbringt sie als Leiterin der Gemeinschaft nun am Schreibtisch. "Ich arbeite daran mit, die Gemeinschaft in die Zukunft zu führen und kümmere mich um die anstehenden Aufgaben aufgrund der kleiner werdenden Gemeinschaft", fasst die Provinzoberin zusammen. Dabei gehe es beispielsweise um Fragen rund um Immobilien, um das geistliche Leben, aber auch die Pflege der Schwestern und die Frage, wie neue Mitglieder gewonnen werden können. Keine leichte Aufgabe für die 72-Jährige, aber: "Ich fühle mich vom Gebet meiner Mitschwestern begleitet und getragen – auch bei schwierigen Entscheidungen."

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