"Im Gehen entsteht der Weg": Porträt Schwester Gisela

Schwester Gisela.

"Wohin soll das denn führen?" werden Menschen, die einer Berufung folgen, oft gefragt. Auch wer dann etwas als Antwort zu stottern vermag, weiß innerlich, dass er es nicht weiß.

Die Klarissen-Kapuzinerin Sr. Gisela im Kloster St. Klara in Senden hat einen ganz besonderen Weg hinter sich, der Erstaunen auslöst.

Sie spürte die Berufung früh. Sie beschreibt sie als innere Sehnsucht und Unruhe. Sie ist gewiss, dass Gott selbst sie darin ruft und anspricht, aber eine Klarheit in Bezug auf die Ausrichtung findet sie zunächst nicht, im Gegenteil: Es zieht sie entweder in die Mission oder in ein kontemplatives klösterliches Leben. Spannungsvoller können diese beiden Möglichkeiten kaum sein. Ein Leben in der Mission würde sie aufbrechen lassen, mit vielen Menschen in Kontakt bringen, vielleicht würden ihr sogar neue Länder zur Heimat werden. Bei einem kontemplativen Leben dagegen würde sie sich an ein Kloster binden und in einer festen Gemeinschaft bis zu ihrem Tod bleiben.

Wenn man zwei Alternativen hat, und nicht zu einer inneren Klarheit kommt, muss man es ausprobieren, im Gehen entsteht der Weg. Sr. Gisela tritt zunächst bei Missionsschwestern in Trier ein, findet dort aber nicht zur Ruhe. So wechselt sie in den Karmel, eine ganz kontemplative Gemeinschaft, die sich gerade selbst in einer Umbruchsituation befindet, aber auch hier findet sie nicht ihren Ort.

Gott sei Dank hat Sr. Gisela ihre innere Unruhe beachtet und sich nicht zum Weitermachen gezwungen. Wieder ganz auf sich gestellt, hat sie eine dreijährige Ausbildung zur Seelsorgehelferin absolviert. Gab es noch eine Aussicht darauf, mit der spannungsvollen Sehnsucht in Einklang zu gelangen? Durch Kontakte ergab sich eine Einladung der Klarissen-Kapuzinerinnen von Senden. Sr. Gisela ist zunächst skeptisch, aber es passt. Am 16. Juli 1973 tritt sie ein.

Und doch geht der Weg ganz unerwartet weiter: Der Kapuziner Pater Johanns Bergmann kommt in seinem Heimaturlaub in das Sendener Kloster und hält einen Lichtbildvortrag über die Mission in Indonesien, dort wirkt er auf Sumatra als Missionar. Da es in Indonesien noch keine kontemplative Frauengemeinschaft gibt, wirbt er für eine Gründung. Die damalige Äbtissin nimmt das Anliegen auf und wendet sich in einer Fürbitte an Gott: "Wenn das etwas werden soll, dann zeig es uns…"

Die Bestätigung lässt nicht lange auf sich warten: Sr. Johanna, eine bodenständige und erfahrene Schwester und Sr. Ruth, ein organisationsstarkes Multitalent, spüren den Ruf aufzubrechen und in diese Mission zu gehen. Die Äbtissin folgt ihrer Intuition und kommt auf Sr. Gisela zu mit den Worten: "Du schaffst das". Diese Worte der Ermutigung treffen Sr. Gisela - oft hatte sie den Satz "Das schaffst Du nicht" in ihrem Leben gehört. Dies hier klingt ganz anders. Auch sie ist bereit und so beginnen die drei Schwestern zunächst mit Sprachunterricht in Münster.

Bereits im Oktober 1976 wird die Aussendung gefeiert. Schon vor dem Abflug steht als Ziel fest, dass das neue Kloster schnell selbstständig und dann von einheimischen Schwestern geleitet werden soll. Bei der Ankunft in Nias allerdings kann man davon erst einmal nur träumen, denn das Kloster ist noch nicht ganz fertig und das feucht-heiße tropische Klima macht den Schwestern zu schaffen. Selbst der Habit wird verändert und aus einem leichten Baumwollstoff geschneidert. Die Schwestern finden sich aber schnell zurecht und lernen, mit dem Provisorium zu leben, das Regenwasser zu nutzen oder mit den Schlangen umzugehen, die sich im Kloster verirrt haben. Und eines bemerken die Schwestern schnell: Die Menschen sind offen für Gott und den Glauben. Sie treffen immer wieder auf Menschen die andächtig beten, z.B. vor einem Bildnis der Mutter Gottes aus Altötting.

Die Kapelle ist zunächst noch nicht fertig. Besonders die Arbeit am Tabernakel ist schwierig, weil dazu ein massives Felsstück aufgebohrt werden muss. Hierzu erzählt Sr. Gisela eine besondere Episode: Sie hat die Nachricht bekommen, dass sie zur ewige Profess zugelassen ist. Dafür kann sie ins Mutterkloster nach Senden reisen, aber sie entscheidet sich, diesen Schritt in Indonesien zu gehen, in dem Land, in das Gott sie geführt hat. Als der Pater, der gerade an dem Tabernakel arbeitet, das hört, konnte er plötzlich den Felsen durchbohren und den Tabernakel fertigstellen.

Tatsächlich ist das Wirken der drei Schwestern gesegnet: Bald kommen die ersten jungen Frauen, die ihren Lebensstil teilen und mitleben wollen. Die Schwestern betreiben eine Hostienbäckerei, eine Paramentenstickerei und eine Kerzengießerei. Sie weisen die interessierten jungen Frauen in das Ordensleben ein und übersetzen christliche Schriften und Bücher auf Indonesisch.

Das Kloster wächst und es kommt später zu drei neuen Klostergründungen.1992 wagten die Nonnen noch einmal einen Schritt ins Ungewisse. Sie gründeten nahe dem Ort Sikeben auf Sumatra erneut ein Kloster, dort entsteht auch das Exerzitienhaus. Von dort aus wird ein weiteres Kloster in Südsumatra eröffnet und die letzte Gründung liegt auf der Insel Timor. Der Weg und das Leben der drei deutschen Schwestern in Indonesien hat viel Frucht gebracht, ein blühendes Ordensleben ermöglicht und lässt sie dankbar sein.

Für Sr. Gisela wendet sich der Weg aber noch einmal: Wegen eines formalen Visa-Fehlers kann sie im Jahr 2006 nicht mehr in Indonesien bleiben und muss in das Mutterkloster nach Senden zurückkehren.

Nach Jahren des Aufbruchs und Aufbaus, in denen sie immer zu den älteren Schwestern zählte, gehört sie jetzt zu den jüngeren in einem Konvent, der kaum Eintritte nach ihrem Weggang erlebt hatte. Ein harscher Wechsel! Noch einmal muss sie sich auf eine ganz neue Realität einlassen.

Wer sie fragt, was in all diesen Jahren die wichtigste Gebetserfahrung war, den verweist sie auf ein Wort, das das Johannesevangelium durchzieht: "Bleiben". "Bleibt in meiner Liebe", "Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht." Sie führt dazu aus: "Bleiben bedeutet, nicht zu fliehen."

Tatsächlich liegt wohl genau darin ihr Geheimnis: In einem von Aufbrüchen geprägten Leben, von inneren und äußeren Wegänderungen durchzogen, leuchtet das Bleiben auf und das Bleibende. Sie erzählt mit einer großen Wärme des Herzens, dass sie jeden Morgen für die Schwestern in Indonesien betet. Sie bleibt deren ältere Schwester, die erfahren hat, dass Gott in spannungsvoller Sehnsucht handeln kann und in ausweglosen Situationen neue Richtung gibt. So fasst sie für uns ihre Erfahrung in die Worte:

"Im Gehen entsteht der Weg. Im Rückblick sehe ich den roten Faden in meinem Lebensmuster, den GOTT eingewoben hat. Auch Umwege sind in Seinem Plan letztlich voller Sinn."

Text: Sr. Anne Kurz FMVD
Foto: Sr. Gisela

Kontakt

Ordensreferat und Ordensrat
im Bistum Münster

Domplatz 27
48143 Münster
Fon 0251 495-17202
ordensreferat@bistum-muenster.de
vrede@bistum-muenster.de

Aktuelle Hinweise

Ordenstag
7. September 2024

Links

Logo Jahr des geweihten Lebens - national.
Logo Kontemplativ
Online-Kloster
 
Logo Bistum Münster